Sonntag, 23. März 2014

33. Wiener Brief 2.0

"Die Hexe oder ein neuer Besen kehrt gut, ein alter ist aber einfach nur hässlich"


Wir alle wissen, Geld macht aus Menschen bessere Menschen. Und wie um uns das auf perfide weise erneut vom manchmal so grausamen Leben verdeutlicht zu bekommen, wurden uns solcherart verbesserte Menschen in eine enge Loge gesetzt.


Ort der Begegnung war das wohl schönste Haus der schönen Künste in Wien und der Anlass einer Prämiere war wohl ein mehr als würdiger, um sich wieder mal den Kulturerledigungsvermerk zu erneuern.


Nach erfolgreicher getränketechnischer Versorgung, dies beinhaltete neben dem obligatorischen Gläschen Sekt ebenso die Bestellungen desselbigen Menüs für die Pause. Damit sichert man sich nicht nur einen entscheidenden Zeit Vorteil, weil man sich nicht gemeinsam mit gefühlt allen gleichzeitig aus dem Veranstaltungsraum tretenden Menschen an einer Theke mit zwei Mitarbeiterinnen anstellen muss, nein, man sichert sich zeitgleich ein Stehtischerl auf dem die Gläser bei Pausenbeginn schon sehnsüchtig auf deren Besitzer warten. Was dank meiner vorausdenken Planung in diesem Falle wir waren.


Nach besagter Aufnahme und Anschließender geordneter Abgabe von Flüssigkeit, begaben wir uns zu unseren Plätzen in einer Loge. Da die Vorstellungen beim Versuch die Karten zu kaufen, so gut wie Ausverkauft waren, mussten wir diesmal mit Plätzen in der dritten Reihe einer Loge Platz nehmen. An sich kein Problem. Aber als wir die Loge betraten, betraten wir quasi die falsche Loge. Denn auf die Begrüßung unsererseits kam ein Kopfnicken des Mannes in der zweiten Reihe, ein ungläubiger Blick eines geschmacklos gekleideten Mädls in der ersten Reihe und abschließend der Kommentar des Familienoberhaupts, ich nenne sie hier mal ganz zwanglos "die Hexe", mit folgenden, an den Mann in der zweiten Reihe gerichteten, Worten "Ich dachte, wir hätten die ganze Loge". Sprach es aus und drehte sich wieder weg.


Was sagt man dazu? Nicht viel, weil man sich den Abend nicht schon vor Beginn einer wunderbaren Vorstellung, und das war sie unabhängig von den Vorkommnissen, vermiesen lassen möchte. Auch deshalb gibt's den Frustabbau und diese mehr als unfaire Beschreibung hier und heute. Ob meine halblauten Kommentare aus dem Off damals angekommen sind oder nicht, ist egal, es muss alles nochmal raus.


Aber wie nun konnten wir erkennen, dass es sich in dieser bis heute nicht ganz genau bekannten Zusammenstellung einer Familie um bessere, weil natürlich in gewisser weise reichen Menschen handelt. Ganz einfach, Sie ließen es uns auf vielfältige weise wissen. Ich denke, es handelt sich hierbei gar nicht bewusst um ein einstudiertes Verhalten, vielmehr wirkt es fast wie angeboren, so natürlich wie nicht über Geld, sondern nur über Dinge gesprochen wird, meist beiläufig und fast im Gespräch untergehend, die aber eindeutig mit Geld verbunden sind.


"Siehst du, mein kleiner Liebling", die Hexe zeigt, an das kleine Kind gewandt, mit ihrem knochigen Finger auf eine der Logen gegenüber, "dort drüben sind wir beim Opernball gesessen". Und an den, möglicherweise auch ihren Mann in der zweiten Reihe gewandt, "Schau mal da drüber, das sitzt der Herr x und der Herr y nebst Gemahlin". Und wie um jeden im Saal zu zeigen, dass man sich kennt, wird wie wild mit der gesamten knochigen Hand gewunken. Das verbissene, verhärmte Gesicht blüht kurz auf, als die Geste in der anderen Loge erwidert wird. Auch wenn ich glaube, dass sich weder der/die Winkende noch der/die Angewunkende in diesem Alter noch eindeutig auf diese Distanz identifizieren können. Viel wahrscheinlicher ist, dass sich zwei völlig fremde einander zugewunken haben. Aber wichtig ist, jeder hat es sehen. Und wenn man sich in besagtem Haus, bei einer Prämiere zuwinkt, oder gar einem jemand zuwinkt, ja dann, dann heißt das schon was. Was ist mir zwar nicht ganz klar, aber es wird schon was heißen.


Das Mädl in der ersten Reihe, entweder Tochterhexe oder Enkelhexe der Hexe, ups, nein, das wahr zu hart, also nenne ich sie ihres Auftretens wegen einfach "das Klugscheißer-Mädchen". Das ist besser, beleidigend, aber nicht verletzend ;-). Sie war zwar wie erwähnt geschmacklos gekleidet, aber das machte sie locker mit den Kosten der Bekleidung wieder wett. Neben einer Handtasche, die demonstrativ auf dem verbliebenen freien Platz in der zweiten Reihe, also quasi direkt unter unseren Nasen abgelegt wurde, für die ein durchschnittlicher österreichischer Arbeiter gut und gerne zwei Monate arbeiten müsste, falls er keine Steuer bezahlen müsste, ansonsten noch ein Monat länger dafür arbeiten müsste, trug das Klugscheißer-Mädchen ein Kostüm, also für alle nicht so modeaffinen, das hat nichts mit Fasching oder Verkleidung zu tun, dass wahrscheinlich ein Jahresbudget einer Kleinfamilie sprengen würde. Und es saß nicht mal. Aber davon abgesehen, was hat so ein Zeug an einem Mädl von vielleicht 16 Jahren zu tun?


Und um das Bild vom Klugscheißer-Mädchen komplett zu machen, trug sie eine Brille. Nicht irgend eine Brille, sondern eine Nerd-Brille. Was hätte auch besser zu ihr gepasst, wie sonst könnte sie den ganzen Abend lang klugscheißern ohne eine solch passende Brille. Dirigent, Musikauswahl, das komplette Orchester, die Besetzung, die Choreographie, ja selbst das Makeup der Tänzer, welches akribisch mittels Opernglas studiert wurde, wurde beklugscheißert. Ich weiß, das Wort gibt es gar nicht, nicht nur weil mir mein Textprogramm das Wort mit einer roten Wellenlinie unterstreicht, sondern weil ich mir das Wort ausgedacht habe. Aber ich hab in der Kürze kein besseres gefunden.


Verhalten und Auftreten des Klugscheißer-Mädchen lassen den Verdacht nahe legen, dass es sich zwar in Obhut einer Privatschule befindet, und zwar in einer die den Namen noch verdient, aber kaum den regelmäßigen Prügel der Rüpel dort entgehen wird. Wobei die Rüpel an einer Privatschule kaum den unsrigen Vorstellungen von Rüpel entsprechen werden. Die Schütteln dir wahrscheinlich die Hand und stellen sich standesgemäß vor bevor sie dir eine rein hauen und verabschieden sich wieder mit einer kurzen Verneigung und wünschen einen schönen Tag. Und das ohne jeden Sarkasmus.


Aber die wirklich Leidtragende in dieser gesamten Posse des Abends war das kleine Mädchen, dass flankiert von der Hexe und dem Klugscheißer-Mädchen den Abend verbringen musste (der Mann war auch nicht beneidenswert, aber so was nennt man wohl selbstgewähltes Schicksal). Für uns wäre es zwar schöner gewesen, wenn auch das kleine Mädchen nicht gezwungen geworden wäre sich im Kreise ihrer Familie Kultur anzusehen, weil sie sich nach dem Höhepunkt, dem Auftritt der vier Nachwuchstänzer, mehr als langweile und quengelte. Aber eh nicht zu viel, auch weil die knochigen Finger der Hexe immer auf ihrem Rücken herum fuhren, wie um dem Mädchen immer wieder das Gefühl zu geben, dass sie unter Beobachtung steht.


So durften wir nicht nur eine fantastische Vorstellung, sondern auch Menschen genießen, die uns die wunderbare Wirkung von viel Geld vor Augen führten und auch uns so ein Stück weit zu besseren Menschen machen konnten.


Um bei unserer Realität zu bleiben, den traditionellen Abschluss eines solchen kulturellen Abends begingen wir natürlich beim Würstlstandl.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen