Donnerstag, 6. März 2014

31. Wiener Brief 2.0

"Das Leben ist schön"


Kann sein, muss aber nicht. Der Arbeitstag war überdurchschnittlich lange. Mehr als die Hälfe der Zeit verbrachte man sitzend im Auto, beschäftigt mit dem Beobachten der vorbeiziehenden Landschaft. Einer Landschaft deren Schönheit sich mit nützlich für Straßenbauprojekte umschreiben lässt, weil eben eben. Der Termin beim Kunden war gut, zwar ohne konkretes Ergebnis, aber gut, das Missverhältnis aber zwischen Zeit beim und damit für den Kunden und der An- und Abreisedauer lässt einem einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Das hat aber meiner Neigung zu Wortspielen aber offensichtlich keinen Abbruch getan ;-).


Klar fährt man noch kurz ins Büro, um die Unterlagen dort zu deponieren, die stören beim abendlichen Einkauf nur, auch wenn es schon dämmert. Und natürlich fällt einem, kaum am Arbeitsplatz angekommen, ein, dass sich da noch Dinge für morgen früh am Schreibtisch tummeln, die einer Erledigung harren. Also nur kurz hingesetzt und die paar Kleinigkeiten abgearbeitet.


Mittlerweile ist es stockfinster und man hat Angst alleine zur U-Bahn zu gehen. Ok, es ist zwar wirklich schon finster, aber gerade mal halb sieben. Aber alleine zur U-Bahn zu gehen ist in den Außenbezirken in Wien nie ein Spaß ;-). Der Weg nach Hause ist dank U-Bahn kurz und störungsfrei. Das kann man auch nicht jeden Tag behaupten, aber heute war diesbezüglich ein guter Tag.


Ebenso erfolgreich war die Warenzusammenstellung im hiesigen Supermarkt. Wobei man bei Lebensmittelhändlern in Innenstadtlagen wohl eher von Nicht-Ganz-So-Super-Märkten reden müsste, müsste man deren Fläche beurteilen. Eindeutig super hingegen ist das Warenangebot und Reinheit des gehobenen Lebensmitteleinzelhandels. Was natürlich auch für die Preise desselbigen gilt.


Nachdem das essenstechnische Abendprogramm schon seit den frühen Morgenstunden fest steht und der Besuch im Supermarkt nicht der erste war, ging das Füllen des Kunststoffwarenkorbs mit den Produkten meiner Wahl sehr rasch von statten.


Aber dann. Ja, dann kam die Kassa. Und noch bevor die Kassa kam, kamen die Menschen die einen ähnlichen Ablauf ihres Abend wie ich im Sinne hatten. Also hieß es erstmal warten. Und natürlich wählt man im Zweifelsfall die Schlange, in der sich Personen anstellen, die sich ein Plastiksackerl oder gar die Luxusvariante, ein Papersackerl sparen wollen und zu den zur freien Entnahme hinter der Kassa aufliegenden Knotenbeuteln greifen. Das spart man gut und gerne 20 Eurocent, aber natürlich auch nur dann, wenn man das erstandene Sackerl nach dem Erstgebrauch wegwirft und nicht noch x-mal verwendet. Was nicht nur gerüchteweise funktioniert, sondern im Selbstversuch erfolgreich verifiziert werden konnte.


Die kostenpflichtigen Sackerl haben aber den Vorteil, dass sie mehr als nur eine Makrone in sich aufnehmen können ohne zu reißen. Also stehen die, ich nenn sie jetzt mal einfach Knotenbeutelmenschen, im Bereich hinter Kassa und versuchen verzweifelt einen Einkauf für sechs Erwachsene und neun Kinder in Knotenbeutel zu verstauen. Wie gesagt, maximal 20 Eurocent gespart. Aber das dauert natürlich. Die Beutel lassen sich nur mit zwei Händen abreißen, jeder zweite Beutel reißt nicht dort wo er soll und wer schon mal versucht hat, unter dem Druck der von der Kassa nachströmenden Masse einen solchen Knotenbeutel auseinander zu falten, der weiß, dass das Unterfangen zum Scheitern verurteilt ist.


So vergeht Minute um Minute, bis die Knotenbeutelmenschen ihre Knotenbeutel befüllt haben und den Weg für die Nachkommenden an der Kassa frei machen. Nicht dass ich schadenfroh wäre, aber der Anblick eines eben noch die Kassa blockierenden Menschen, der am Gehsteig kniet und verzweifelt versucht seinen Einkauf, der verstreut auf gut und gerne fünf Quadratmetern verteilt liegt, einzusammeln und in allen möglichen Öffnungen der Bekleidung unter zu bringen, würde mir wahrscheinlich doch ein kurzes Lächeln auf die Lippen zaubern. Wie gesagt, maximal 20 Eurocent.


Aber damit hat das Drama erst seinen Lauf genommen. Denn zwischen den Knotenbeutelmenschen tauchen immer wieder unvermutet die Kleingeldmenschen auf. Kleingeldmenschen sind eine ganz besondere Klasse von Menschen, die sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, jeden, und ich meine hier wirklich jeden ohne Einschränkung, jeden auch noch so kleinen Einkauf exakt, also auf den Eurocent genau, zu bezahlen. Und nicht dass hier jemand denkt, der Kleingeldmensch tut dies in unserer modernen Welt mit Hilfe einer Plastikkarte, nein, natürlich nicht. Denn der Kleingeldmensch verachten diese Form der Zahlung, die stellt nämlich einen Gutteil seiner Lebensaufgabe in Frage.


Ziel des Kleingeldmenschen ist es zwar, den Betrag in Scheinen und wenn möglich sogar alles in  Form von Münzen der geforderten Währung dem Kassapersonal auf die kleinste Einheit genau auszuhändigen, aber keineswegs hat dies innerhalb einer selbst gesetzten Mindestzeit zu erfolgen. Dass heißt, es kann dauern, bis der Kleingeldmensch sein Kleingeld aus den Tiefen seiner Kleidung zu Tage gefördert hat, es in aller Seelenruhe gezählt hat und Münze für Münze in die Hand des Kassiers gelegt hat. Es ist auch nicht sonderlich hilfreich den Kleingeldmenschen anzutreiben, man läuft nämlich Gefahr, dass er sich verzählt und das Ganze nochmal von vorne startet.


So, endlich genug über wirklich alle vor mir in der Schlange aufgeregt und geistig auf tiefste Beschimpft und endlich an der Reihe zu bezahlen. Tja, bezahlen, klingt einfach, wäre es auch, wenn man Geld dabei hätte, egal in welcher Form. Tja, hatte ich nicht. Da hilft auch kein noch so intensives Suchen in allen Taschen der gesamten Kleidung, wenn die Brieftasche im Büro zurückgelassen wurde. Und da hilft auch kein noch so hilfloser Blick in die erwartungsvollen Augen der Kassiererin. Denn sie erwartet Geld. Und alle anderen an der Kassa wartenden erwarten, dass ich gehe und den Platz frei mache.


Natürlich sind die Fußgängerampeln rot und vor einem drängen sich Menschenmassen aus und in die U-Bahn die zurück zum Büro fährt. Und natürlich funktioniert der Lift aus der U-Bahn nicht. Ja klar, kann man sich denken, schadet ihm gar nichts mal ein paar Stufen zu steigen, aber dass auch der Lift ins Büro im vierten Stock versagt, stimmt mich schon etwas bedenklich. Zumindest hab ich meine Zutrittskarte nicht im Supermarkt liegen lassen und kann ungehindert mein Büro betreten und mein Geld entnehmen.


Zurück im Supermarkt, also keine halbe Stunde später, sprich eine halbe Stunde meines Lebens auf Grund meiner eigenen Nachlässigkeit verschissen, entschuldigt meine Ausdrucksweise, aber die ist in diesem Falle leider angebracht, zurück also im Supermarkt und die hinterlegte Ware gegen Bares getauscht und endlich ab nach Hause. Und welch Überraschung, der Lift funktioniert nicht. Also nicht als ich versuche ihn im Parterre zu rufen. Aber kaum zu Fuß im fünften Stockwerk angekommen, öffnet der Lift seine Pforten mit einem leisen Bling, so als ob er mir gerade ins Gesicht lachen möchte und mich derart verhöhnt. Aber an solch einem Tag kann mich selbst ein so hinterlistig agierendes technisches Konstrukt nicht mehr mehr meinen Tag versauen. Der ist so wie so abgehakt und ich bleibe ruhig.


Und an solch einem Tag verwundert es auch nicht, dass ein Brief vom für die Parkraumbewirtschaftung (was für ein Wort) zuständigen Magistrat in der Wohnung wartet geöffnet zu werden. Der aufmerksame Wiener Briefe 2.0 Leser weiß, dass der Autor da mal ein kleineres Problem mit einem nicht der hiesigen Straßenverkehrsordnung entsprechend abgestellten Fahrzeug hatte. Er war damals so kühn, einer dieser Strafen (ja, Mehrzahl) zu widersprechen und heute hat er die Rechnung am Tisch.


Und was könnte diesen Tag besser beschließen, als dieses Schreiben vom Amt und dessen Antwort auf mein Begehr. Das Amt stellt das Verfahren gegen mich ein. Das Leben kann so schön sein. Gute Nacht.

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