Montag, 30. Dezember 2013

4. Wiener Kaffeehaus Brief 2.0

*bling*

Und da ist es wieder. Endlich. So lange habe ich diesen einzigartigen lieblichen Klang nicht mehr vernommen. *bling*. Samtig durchdring er den Raum, erfüllt ihn kurz und taucht wieder unter in der begleitenden Musik.
Der Anlass ist eines der in Wien fast schon inflationär vorhandenen Silvester- oder Neujahrskonzerte. Den festlichen Rahmen bildet eines der großen Konzerthäuser in Wien und die musikalische Untermalung wird von der Strass Dynastie beigesteuert.
*bling*, *bling*
Der Musiker spielt sich wie in einem Rausche in ungeahnte Höhen.
*bling*, *bling*, *bling*, *bling*
Fast ist es so, als ob die Gesetze der Physik kaum länger Bestand hätten.
*bling*, *bling*, *bling*, *bling*,*bling*, *bling*, *bling*, *bling*
Er ist das, was ich hätte sein können. Ein Künstler. Ein Virtuose. Viel hätte nicht gefehlt und ich würde an seiner Stelle dort oben auf der großen Bühne stehen und das Publikum würde mir zu Füßen liegen.
Ja, schade, hätte ich mal mehr mit der Triangel im Kindergarten geübt, würde ich sie heute Abend vielleicht auf der großen Bühne schlagen.
Aber selbst die von mir damals mit Verachtung, auf Grund ihrer Einfachheit, gestraften Holzklötzchen, die es galt im Rhythmus aneinander zu schlagen, selbst diese hatten heute ihren großen Auftritt.
Ja, schade, hätte ich nur etwas mehr mit meinen Holzklötzchen geübt, würde ich sie heute Abend vielleicht auf der großen Bühne dreimal aneinander schlagen dürfen.
All das sind natürlich nur Tagträume während unseres Konzertbesuchs und kein Lehrer hätte auch nur den Ansatz einer Chance gehabt, mir Taktgefühl beizubringen. Wobei, mit den Holzklötzchen war ich gar nicht so schlecht. Zugegeben, die Triangel hätte auf Grund ihrer deutlichen höheren musikalischen Komplexität ganz andere Voraussetzungen von mir verlangt, aber die Holzklötzchen…

Freitag, 13. Dezember 2013

3. Wiener Kaffeehaus Brief 2.0


„Der Schuh - Interpretationen“

Findet man einen einzelnen Männerschuh vor der Wohnungstüre der Nachbarn, lässt dies viele Vermutungen zu. Zum Beispiel:

·      Überschneidet sich der Vorfall mit der Vorweihnachtszeit, so liegt es nahe, dass sich der Besitzer des Schuhs dem Rausch der Firmenweihnachtsfeier ebenso wenig entziehen konnte wie dem Rausch des Alkohols.

·      Wien ist eine Stadt mit einer überdurchschnittlich hohen Dichte an Hundehaltern. Diese Tatsache würde den Fall nahe legen, dass sich dem Besitzer des Schuhs das Glück quasi auf die Fersen geheftet hat. Nicht ganz so schön wäre es, falls diese Variante zutreffen sollte, für die Nachbarn des Besitzers des lieblos im Stiegenhaus abgelegten Schuhs.

·      Nicht sehr wahrscheinlich, aber durchaus noch im Bereich des Möglichen wäre es, wenn der Besitzer Opfer eines fast fantastischen Coups von Dieben geworden wäre, die ihm während der U-Bahn Fahrt den Schuh vom Fuß gestohlen hätten. Aber eben nur einen Schuh, da die Fahrt wahrscheinlich zu kurz war, um ihm beide zu entwenden. Davon ausgehend lassen sich zumindest zwei weitere Szenarien ableiten wie es weiter gegangen sein könnte:

o   Der Besitzer stürmt wütend nach Hause und entledigt sich des verbleibenden Schuhs voller Zorn noch vor der Wohnungstür.

o   Der Besitzer stürmt wütend nach Hause und findet in Kürze, wenn er die Wohnung wieder verlässt, seinen gestohlenen Schuh, den der Dieb seinem Besitzer wieder zurückgebracht hat. Aber warum? Und vor allem wie? Er hatte ja keine Adresse. Ganz einfach. Der Schuhdieb hat den Schuhbesitzer bis nach Hause verfolgt und wird, sobald der Besitzer die Wohnung wieder verlassen hat, glücklich in zwei Schuhen, die Bude ausräumen ;-).

Wie war es aber möglich, dass sich der/die Dieb(e) eines Schuhs bemächtigten, der eben noch dem Besitzer die Füße wärmte?

§  Eher unwahrscheinlich wär es, wenn der Besitzer des Schuhs so vertieft in einen Artikel der Gratiszeitung in der U-Bahn gewesen wäre, dass ihm der Diebstahl nicht aufgefallen wäre. Aber jeder der diese Zeitung kennt, weiß dass dieses Szenario eigentlich nicht existieren kann. Aber vielleicht gab’s just in dieser Ausgabe ein paar Bilder, die Damen zeigten, die so arm sind, dass sie sich kaum Textilien leisten können und wenn, dann nur sehr kleine ;-). Aber nachdem uns solche Bilder eigentlich immer und überall gezeigt werden, lenken die kaum noch ab. Schon gar nicht von einem Schuhdieb.

§  Auch eher unwahrscheinlich, aber zumindest denkbar wäre es, wenn einer jener Hobbymusiker in der U-Bahn solch herzzerreißend schöne Lieder gespielt hätte, dass man sich sofort wie in eine andere, schönere Welt entführt vorkommen würde und ein Schuhdiebstahl noch das Geringste wäre das man nicht wahrnehmen würde.

§  Am Wahrscheinlichsten wäre es wohl, wenn, wie in Variante eins erwähnt, wieder die Firmenweihnachtsfeier und deren Bürde der Alkohol ins Spiel kommen würden. Da braucht es nicht viel, vielleicht schlecht schließende oder gar brüchige Schuhbänder (Schnürsenkel, das kann nur aus Deutschland kommen, so ein hässliches Wort würde bei uns sofort des Landes verwiesen werden) und schon schlüpft man unbemerkt aus dem Schuh, ohne dass man das wollte. Und so ein herrenloser Schuh wäre natürlich eine leichte Beute für jedermann.

·      Bereits äußerst unwahrscheinlich, eher schon in Bereich des Fantastischen anzusiedeln, wäre folgende Variante. Der Schuh ging verloren, ganz egal wie dies von statten ging, es ist nicht wesentlich für diese Variante. Was viele wussten, es gibt einige Menschen bei uns die Assistenzhunde ausbilden. Was aber kaum jemand wusste ist die Tatsache, dass es bei der Ausbildung von Assistenzhunden öfter mal was daneben gehen kann und dann hat man Jahre in einen Hund investiert, der zum Beispiel nur Papierhüte falten kann. Hätte der Hund ein erweitertes Origami-Programm drauf, wäre das nicht so schlimm, aber nur Papierhüte, naja. Aber das ist nur ein beliebiges Beispiel für eine fehlgeleitete Assistenzhundeausbildung. Ein weiterer denkbarer Fall wäre es, wenn der Assistenzhund die Fähigkeit ausbilden würde, den Besitzer eines verlorengegangenen Schuh ausfindig zu machen und den Schuh vor dessen Tür auf die Schuhmatte zu legen. Ob er dann noch anläutet, kurz Laut gibt, oder sich wieder als unerkannter Engel auf den Weg macht, um den nächsten herrenlosen Schuh und seinen verzweifelten Besitzer zu vereinen, spielt keine Rolle.

Für heute sollte es mal reichen an möglichen Interpretationen des herrenlosen Schuhs. Nicht das ich da noch die eine oder andere Idee hätte…

Freitag, 6. Dezember 2013

25. Wiener Brief 2.0

„Do it yourself“

Kaum jemand wird es wissen, da kaum einer kein Auto hat und sich damit über solch Banalitäten keine Gedanken macht oder machen muss, aber die Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte was die immer größer werdenden Baumärkte betrifft, trifft mich persönlich als autolosen Mitbürger. Denn mit dem Wachsen geht die Absiedlung der Märkte Hand in Hand. Was auch nachvollziehbar ist, weil die Riesendinger in der Stadt keinen Platz mehr haben, oder die Flächen nicht mehr bezahlbar sind. Das heißt aber für einen Autolosen wie mich, dass solche Märkte kaum noch erreichbar sind, da sie in der Regel keinen oder nur einen sehr eingeschränkten Zugang zum öffentlichen Verkehr haben.
Was also tun, wenn man einen Kleinigkeit braucht, die aber nur in einem Baumarkt zu bekommen ist? Am besten kombiniert man ein Mietautowochenende mit dem Baumarktbesuch. Das bietet sich natürlich bei einem umfangreicheren Einkauf an. Wobei man hier auf die Autoklasse die man bestellt hat achten sollte.

Für unsere Zwecke hat es sogar ein mini Auto getan, da wir für Verschönerungszwecke nur ein paar Quadratmeter an Verblendsteinen gekauft haben. Blöd nur, dass die vorrätige Menge an diesen Gipsziegeln um genau einen Karton zu gering war. Also wird der Karton bestellt und nicht weiter über das Abholen nachgedacht. Kein wirklicher Fehler, aber beim nächsten Mal, also im nächsten Leben, wird es anders gemacht.
Der Anruf kommt eher als gedacht, dass der Karton bereit steht. Und er steht, das sollte ich eventuell noch erwähnen, am Arsch der Welt. Bitte entschuldigt die derbe Wortwahl, die hat sich aber auch erst seit dem ich den Karton abgeholt habe entwickelt. Bis dahin war es einfach der 23. Wiener Gemeindebezirk.

Aber eine gute Vorbereitung vorausgesetzt, kann es wohl kaum ein größerer Auftrag sein, das Packerl mit den Öffentlichen zu holen. Schon am Morgen wird eine für geeignet befundenen wohl bekannte blaue Tragetasche eingesteckt, die die Abmessungen und das Gewicht der Schachtel fassen kann. Mit nur einmal Umsteigen ist man vom Büro beim Baumarkt und einen rechtzeitigen Aufbruch vorausgesetzt,  erreicht man ihn auch kurz vor Kassaschluss.
Der Karton wird gesucht und gefunden, nur die Rechnung meinerseits, die nachweisen soll, dass ich das schon bezahlt habe, finde ich nicht. Kann ich auch nicht, weil die zu Hause liegt. Tolle Vorbereitung. Aber meinen Fliesenabteilungsfachverkäufer lässt sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Ein kurzer Stopp beim Informationsschalter und schon halte ich eine neue Bestätigung, dass ich das Zeug schon bezahlt habe, in Händen.

Schnell noch den Karton mit den knapp 20 kg in der mitgebrachte Tragetasche verstaut und ab zur Kassa. Weil der Markt schon schließt, dauert das alles nur Augenblicke. Und schon bin ich unterwegs zur Bushaltestelle.
Als gezielter Nutzer der modernen Technik werfe ich noch schnell einen Blick auf die nächste Abfahrtszeit und muss mit entsetzten feststellen, dass der nächste Bus der mich wieder näher an mein Zuhause bringen soll, in drei Minuten fährt. Für den nächsten würde ich eine viertel Stunde warten müssen. Das alles wäre kein Problem, wenn nicht eine vielbefahrene Kreuzung vor mir liegen und ein Karton mit Gipsziegel mit ungefähr 25 kg auf meiner Schulter lasten würde. Also nehme mich die Füße in die Hand und Laufe.

Leicht verschwitzt bei einer Außentemperatur von minus fünf Grad Celsius, steige ich in den Bus und bin froh, die etwa 35 kg abstellen zu können. Bei der U-Bahnstation angekommen, geht’s mindestens zwei Stockwerke rauf, da hier das U in U-Bahn für „unglaublich hoch über der Erde fahrende Bahn“ steht. Ich stapfe also tapfer die Stufen rauf und höre schon wie sich die U-Bahn nähert. Also nehme ich auch hier meine Beine in die Hände und Fliege förmlich mit meinen 50 kg Gepäck über die Stiege. Und was soll ich sagen, ich bin ganz froh, dass ich alles wieder für einen Moment abstellen kann und mich geistig auf den nächsten Streckenabschnitt vorbereiten kann.
Wieder muss ich umsteigen und ganz nebenbei mit den knapp 75 kg auf der Schulter einen Schoko-Krampus besorgen. Also rein in den kleinen Supermarkt und den wohl miesesten Schoko-Krampus wo gibt gekauft. Also der mieseste war er erst, als ich ihn zu Hause aus der Tasche genommen habe, weil er da flach wie eine Flunder war. Aber mies war er schon beim Kauf, weil ein Nikolo drauf abgebildet war ;-).

Und wieder geht‘s über Treppen, diesmal zum Glück runter, zur nächsten U-Bahn. Ja, diesmal in eine richtige Untergrundbahn. Die gut 100 kg zerren mittlerweile schon ganz heftig an der Schulter. Die Fahrt und Erholungsphase ist jeweils kurz.
Die letzte Etappe steht vor mir und die zugleich größte Herausforderung. Die Besteigung des Spittelbergs. Unter Extrembergsteigern ist der Berg gefürchtet und hat schon eine fast unüberschaubare Anzahl an Opfer gefordert. Ok, die meisten im Straßenverkehr oder am Glühweinstandl beim Christkindlmarkt, aber trotzdem sollte man den Spittelberg nicht unterschätzen.

Ich schultere also meine fast 150 kg und mache mich auf zum Gipfelsturm. Apropos Sturm, der bläst mir mit gefühlten 100 km/h ins Gesicht und erschwert meinen Weg nach Hause beträchtlich. Aber der Sturm ist nichts im Vergleich zu den Menschenmassen die mir entgegenströmen. Offensichtlich Anhänger der Selbsthilfegruppe der „bekannten Alkoholiker, die aber nur in der Vorweihnachtszeit auf einem der unzähligen, aber sehr schönen Adventmärkten in Wien trinken, und fast nur ungenießbares warmes, klebriges Gebräu“. Alle schon etwas angeschlagen, entweder vom Glühwein oder von meinem unförmigen 250 kg Klotz. Aber ich schaffe es, ohne mir oder anderen größere Verletzungen zuzufügen und bin sehr froh, dass die Eigentümer einen Lift ins Haus einbauen haben lassen. Mir kommen noch kurz Zweifel, ob der Aufzug die gut 500 kg Last trägt, aber die verfliegen, als der Lift anfährt.
Noch drei letzte Stufen und endlich kann ich den tonnenschweren Karton zu seinen Brüdern stellen. Dort stehen sie nun in der Hoffnung, dass sie bald mal an die Wand dürfen. Aber das ist eine komplett andere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt werden soll.

Dem aufmerksamen Leser ist eventuell beim genauen Studium der Geschichte aufgefallen, dass sich da physikalische Ungereimtheiten eingeschlichen haben. Aber so viel kann schon gesagt werden, diese, ich nenne sie mal Phänomene, waren real. Und ich meine die dynamische Zunahme des Gewichts, nicht die Trinker am Adventmarkt.
Ich habe bereits Proben der Verblendsteine ans CERN geschickt, damit das Phänomen eine wissenschaftliche Grundlage erhält und hoffentlich als „dynamisches Gewicht“ oder populärwissenschaftlich als „Gewicht der Wiener Briefe“ in die Grundlagen der modernen Physik Einzug hält.